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Jeremy's Rückblick:

    Jetzt, wo ich seit etwa über einem Monat in die echte Welt zurückgekehrt bin, habe ich Zeit gehabt einige retrospektive Gedanken über die Tour zu erfassen und was solche Abenteuer-Reisen für mich bedeuten. Sie fangen alle an mit diesem großen Ziel, an das man nicht wirklich denkt, weil es so weit erscheint; physisch und psychisch. Du flüsterst es statt es raus zu brüllen, sodass Du es nicht tötest, bevor es die Chance hat zu geschehen. Die meisten Menschen würden es nicht mal mit dem Auto wagen. Die meisten würden die große Entfernung per Flugzeug überbrücken, aber Du fliegst nicht. Du nimmst auch nicht den Zug und machst es nicht per Auto oder Motorrad. Du machst es per Rad und mit purer Menschenleistung.

    Am Ende der Reise realisiere ich noch nicht völlig was wir getan haben, weil es nur ein Schnippen der Finger war und schon war ich da. Während Du den letzten Teil durchfährst, verstehst Du doch, dass alles bald vorbei ist und mit Blick auf was hinter Dir liegt, bekommst Du ein zufriedenes-überglückliches-oben-auf-der-Welt Gefühl; alles ist in Butter und Du wirst es schaffen. Die letzten fünf Tage Du weißt, Du bist gut dabei, Du bist in der Zeit und das ganze Material hält noch gut. Durch Mexiko sind wir nur auf geteerten Straßen gefahren, was einfacher für uns war und ließ uns relaxen für die letzte Strecke. Danach dauert es dennoch immer eine Weile, bis Du völlig kapieren kannst, was Du gerade geschafft hast und wie lange der Weg tatsächlich war. Du hast etwas Gigantisches bewältigt und dieses ganze Material, das Essen, Deinen Müll und Dich selbst komplett durch die Vereinigten Staaten, Teile von Kanada und Mexiko transportiert.

    Amerika ist ein Gigant. Selbst der Staat Montana ist größer als ganz Deutschland. Die Wälder auf unserer Route sind nicht wie die in Deutschland. Sie sind wilder und gefallene Bäume -manchmal auf der Strecke- verfaulen langsam mit der Zeit. Es gibt keinen Förster, der sie fällt oder entsorgt. Es wäre gar nicht möglich bei so viel Land! Viele unserer Wälder in Deutschland sind nachträglich wiederbelebt worden und es gibt wenige, die der Natur überlassen worden oder nicht manipuliert worden sind. Es ist vielleicht wegen der Vielfalt und Größe Amerikas, dass die Amerikaner ständig mit der Angst leben, ihr Land weggenommen zu bekommen. Das könnte erklären warum es riesige Flächen gibt, abgeschlossen durch Stacheldraht-Zäune, mit "Betreten Verboten", "Bleibe Draußen" und "Privater Besitz" Schildern versehen, obwohl das Land nicht mal für irgendwelche Zwecke benutzt wird. Es ist vor allem nervig, wenn der Zugang zu Flüssen gesperrt wird und da musste ich mich fragen, "Wie kann man einen Fluss nur für sich haben?" Land kann ziemlich billig sein. So sahen wir ein "Zu Verkaufen" Schild für 20 km2 für $12.000. Einziger Nachteil ist, Du bist weit von allem und Du kannst null wachsen lassen auf diesem Boden. Alles was Du machen kannst ist einige Kühe drauf setzen.

    Mein liebster Teil war Nord New Mexico, einfach weil es so anders als Deutschland war. Die grandiosen Wälder des Nordens sind zwar wunderbar, aber ich hatte den Eindruck als wäre ich in den bayrischen deutschen Wäldern ... nur natürlich übertrieben skaliert. Die Sandwege und tief erodierten ausgetrockneten Flüsse von New Mexico sind die Reise und Anstrengung wert. Wenn die Sonne untergeht, werden die steilen Felsenhänge gold-gelb gefärbt und alle Schatten dehnen sich um das Fünffache aus, sodass man sich selbst als Ameise fühlt. Eine Sache, die mich stark beeindruckt hat, ist wie schnell die Landschaft sich ändert. So reiten wir aus einem regnerischen Grünwald-Gebirge, um sofort in ein flaches Wüstenland, umgeben von steilen zeitmarkierten Klippen, einzutauchen, um dann 30 Meilen später durch ein leicht hügliges Trockengras-Gebiet zu fahren ... alles an einem Tag!

    Die meisten unserer Campingplätze waren genau das, was Du Dir in Deinem Kopf vorstellen würdest; ein Fluss mit eiskaltem Wasser, eine Feuerstelle, das Zelt in Richtung Osten orientiert, um früh von der Sonne aufgeweckt zu werden und einem prächtigen Blick. Die Wälder waren sehr ruhig, viel ruhiger als ich dachte. Ab und zu hörte man Wölfe oder Kojoten in der Ferne, aber die meiste Zeit Stille. Traurigerweise -oder wie die Amerikaner sagten, Glücklicherweise- haben wir keine Bären gesehen. Es kann sein, dass wir sie mit unseren Schreien als wir enge Kurven fuhren oder unsere Bärenglocke erschreckt haben. Es war besser so, als wären wir um die Ecke gebogen, um Gesicht zu Gesicht mit einer überraschten Bärenmutter zu stehen. Wir haben dennoch viele Elche, Wapitis (Elch-Typ), Hirsche, Präriehunde, mache Stinktiere, Schlangen, manche Adler und Antilopen entdeckt ... achja und sehr viele Kühe! Mooo. Ich kann mich daran erinnern, als wir an einem Bach Mittag gegessen und uns plötzlich umgedreht haben, um dreißig oder so Kühe zu sehen, die uns immer näher kamen und beim Essen beobachteten. Es machte auch Spaß sie immer aus dem Weg zu treiben und zu sehen wie schnell die laufen können. Wir sind auch direkt neben Bullen entlang gefahren und hofften, dass keine von denen uns angreifen würden. Abends, als der Tag zu Ende war, schlugen wir das Zelt auf und warteten ungeduldig auf das warme Essen. Dann schauten wir uns um und nannten den Ort Heim für eine Nacht.

    Wir waren Nomaden für zwei Monate. Die Regeln waren sehr einfach und deswegen ist es auch ein Stückchen schwierig sich wieder an das reelle Leben zu akklimatisieren. Für mich dauert es ein Weilchen. Du kommst zurück und hast Rechnungen zu bezahlen und Sachen, die Du zur Seite gelassen oder vergessen hast. Du musst Deine Arbeit wieder angehen und Dein Studium wieder anfangen. Am Anfang drückt Dich das runter, weil Du nicht daran gewöhnt bist die vielen Sachen um Dich herumkreisen zu haben. Du bist froh einige Luxussachen wie Toiletten, Musik und solche Sachen wieder zu entdecken. Ich habe mein Handy zwei Wochen nach der Rückkehr nicht eingeschaltet und seitdem kein Fernsehen geschaut. Ich wusste ich hatte Einiges zu machen und Meinem Spur wieder zu nehmen. Ich wusste, die Tour war vorbei, dennoch ohne wirkliches Bewusstsein, was ich geleistet hatte.

    Der Belag auf unserer Reise variierte stark, was einrn großen Unterschied zu anderen großen Touren, die wir gemacht haben, war. Den Hauptanteil fuhren wir auf Schotterwegen, was am besten für den Rollwiderstand der Bereifung war und ab und zu auf Steinpisten mit bis zu faustgroßen Steinen. Du musstest die ganze Zeit konzentriert bleiben, vor allem beim Berg-Herunterdüsen. Naja, "düsen" ist schlechte Wortwahl, weil nach einem langen Anstieg, dachte ich mir, "Genial. Jetzt geht's einfach runter!", aber keine Chance. Es war keine Rarität langsamer runter als rauf fahren zu müssen, die Griffe fest zu klammern, aus dem Sattel raus zu steigen und mit den Bremsen zu spielen. Es gab auch Male, wo wir bergauf und zweimal bergab absteigen mussten, um zu schieben, aber nur nach dem fünften Versuch und Versagen. Stark spürbar war der Unterschied in Temperaturen und Windstärke in den Bergen. So mussten wir andauernd zwischen vier Schichten Klamotten und oberkörperfrei wechseln. Ich war sehr glücklich, dass das Wetter uns die meiste Zeit geschont hat. An vielen Tagen hatten wir trockene Wärme und nur viermal oder so richtige Sturzregen-Erlebnisse. Einmal in Montana stoppten wir für eine Cookie-Pause, als wir von Weitem eine riesige tiefe schwarze Wolke sahen, die auf uns zukam. Schnell auf die Bikes hieß es und wir befanden uns mitten im Staubsturm. Wir fuhren höchsten Gang, damit wir den schlimmsten Teil nicht erleben mussten. Das gute Wetter sorgte aber auch dafür, dass wir nicht gezwungen waren Alternativrouten einzuschlagen. In den "Badlands" von New Mexico kann der Ton-Gemisch-Belag bei Nässe zur Hölle werden und den Weg unfahrbar machen. Dort mussten wir nur über einem kleinen überschwemmten Gebiet aussatteln und puschen und merkten direkt nach zehn Metern, dass die Räder sich nicht mehr drehten. Den klebrigen Matsch herunterzubekommen war auch ein richtiger Spaß. Cool war aber, dass wir keine Probleme mit dem niedrigeren Druck in den höheren Regionen Colorados hatten. Ich denke, dass liegt daran, dass wir uns langsam akklimatisiert hatten und so war das erschwerte Atmen kaum spürbar. Akklimatisierung braucht eben seine Zeit ...

    Die Leute, denen wir begegnet sind entlang unserer Reise waren sehr zuvorkommend und enthusiastisch über unsere Tour. Amerikaner sind sehr offen und fangen direkt an mit Dir zu quatschen, auch wenn sie Dich nicht kennen oder keinen wirklichen Grund dazu haben Dich anzusprechen. In Montana waren die Menschen am freundlichsten und dies nahm etwas ab je südlicher wir gefahren sind. Dies, muss ich aber sagen, ist sehr unterschiedlich zu Deutschland. Wenn ich hier die Straßen entlang gehe und unbekannten Leute begegne, grüße ich sie meistens, aber wenn ich das nicht tun würde weiß ich, dass sie mir nicht "Hallo" sagen würden. Deutsche sind sehr reserviert und die Amerikaner zeigen mehr Interesse für einander und motivierten uns oftmals mit einem "Good for you!". Dennoch störend -und ich weiß dies aus Erfahrung- sind diese Nettigkeiten meistens oberflächlich und die Amerikaner sind traurigerweise etwas zu materialistisch, oberflächlich, blind-patriotisch, kontrovers und neigen dazu, alles zu glauben, was sie hören oder im Fernseher sehen. So kommt es dazu, dass von Montana bis New Mexico fast alle negative Vorurteile gegen Mexiko und die Mexikaner hatten und sagten uns, "Die werden Euch töten, sobald sie Euch sehen", "Die werden Euch die Kehle durchschneiden", "Die werden Euch kidnappen und von Euren Familien viel Lösegeld verlangen" oder "Wir mögen Euch. Wir wollen Euch nicht tot!". Sogar die US-Grenzbeamten fragten, "Ihr wisst nicht, in was ihr Euch begebt, oder?" Ich antwortete, "Nicht wirklich aber das werden wir sehen." Wenn ich nicht daran gewohnt wäre, würde ich Panik schieben und den "Schutz" des amerikanischen Bodens nie verlassen wollen, aber egal wo man hingeht ist es immer das Gleiche: Die Nachbarn sind schlimm und wir sind die Guten! In Marokko hättest Du hören müssen wie die Deutschen dort geredet haben!? Als ob sie die zivilisierten Könige wären und die Marokkaner gefährliche Idioten, die nur gut genug waren als Sklaven für diese reichen Touris zu dienen. Die gleiche Geschichte gilt zwischen Syrern und Israeliten und auch umgekehrt zwischen Israeliten und Syrern. Es gibt immer ein Unterschied zwischen dem, was die Menschen für wahr halten, und der Wahrheit selbst. In Mexiko gab es nichts zu befürchten ... wir waren sowieso nur zwei Dudes auf Bikes und nicht ein Anteil des Drogen- oder Waffen-Kartells. Übrigens, ein Schriftsteller der Seattle Times versuchte dies zu erläutern; die Drogen, die in Mexiko das Problem initialisiert haben, werden von den US-Amerikanern konsumiert und die illegalen Waffen, die die Ermordungen in Mexiko ermöglichen kommen ebenfalls aus den USA.

    Bevor wir die Grenze nochmals überquerten, blieben wir über Nacht in der vielleicht gefährlichsten Stadt Mexikos, Jaurez Chihuahua. Wir blieben dort -im Ghetto- in einem $12 Motel. Der Besitzer kettete nach zehn Uhr abends das vordere Tor zu, sodass wir nicht mehr raus oder rein konnten. Dann lehnte er sich draußen zurück auf einem Plastik-Stuhl und schaltete die Nachrichten ein. Irgendwann sagte er laut, "Veintiuno!" also war ich gezwungen zu fragen, "21 was?" "21 Tote", antwortete er. Es gab also 21 Tote an dem Tag bis dahin in der Stadt und nicht mal eine Stunde später hörte man ihn wieder, "Veintidos!". Im Jahr werden 8.000 Menschen in Juarez Stadt umgebracht. Das ist mächtig viel und ich muss halb lachen halb kotzen wenn ich an diesen Typ denke, der jeden Abend vor der Glotze hockt und die Toten zählt! Die Präsenz von Maschinengewehr-tragenden Polizisten und Militär Checkpoints soll zeigen, dass Mexiko sich um das Problem kümmert aber ich habe gelesen, dass nur 5% aller Ermordungen überhaupt untersucht werden. Als wir US-Boden wieder betraten in El Paso Texas, war ich glücklich, zurück in den Staaten zu sein und wieder Englisch reden zu dürfen; Fehlanzeige. Es war schwierig dort jemanden zu finden, der nicht nur Spanisch konnte und bevor wir den ersten Bus nahmen, wollte ich eine englische Zeitung für die lange Reise kaufen. Wir schlenderten durch die Stadt ohne Erfolg. Die einzige Zeitung, die es zu kaufen gab war "El Diario" auf Spanisch. Also fuhren wir die zwölf Stunden Bus ohne was zu lesen und ohne Musik.

    Direkt nach der Tour, die zehn Tage Rückkehr nach Vancouver waren etwas stressig ... am Anfang zu mindestens. Unsere Belohnung, das Mietauto, durften wir nicht bekommen, was uns herunterzog. Vor allem ich war verärgert darüber, da ich das meiste organisiert hatte und die letzten Tage als Urlaub gesehen habe und konnte es nicht kriegen. Wir mussten unsere Räder auf stressige Art und Weise verschicken, nahmen verschiedene Busse und wurden in Los Angeles ohne Kreditkarte, Transport- und Übernachtungsmöglichkeit blockiert. Du bist mitten in dieser riesigen Stadt, die Los Angeles ist, aber warst bis dahin an Niemandsländer und Natur gewöhnt. Und wo landest Du? Skid Row, das schlimmste Viertel. Es war ein bisschen als wenn man heißen Stahl in kaltes Wasser eintunkt, es war zu rasch, um sich direkt anpassen zu können. Es braucht normalerweise mehr Zeit als das.

    Dann noch ein Schnippen und zurück war ich in Deutschland. Wir haben die ganze Zeit Englisch geredet und langsam fühlte ich wieder die Wurzeln schlagen, weil ich in Amerika groß geworden bin. Die Kultur, die Menschen, das Land; Du realisierst Du vermisst es doch, aber gleichzeitig weißt Du es ist nur eine Tour; nicht Dein Leben, aber einen Anteil von Dir will es doch wahr haben. Also ein Anteil ist nostalgisch, als Du wieder Deiner Realität begegnest.

    Es gibt aber auch den Anteil, der froh ist, weil Du es fertig gebracht hast und weil Du genau das geschafft hast was Du vorhergesagt hast. Wir haben alle Situationen gemeistert und nichts lief so schlief, dass wir das Handtuch werfen mussten. Es ist eine große Freude etwas getan zu haben, was die meisten Menschen nicht verstehen oder definieren können. Was Du in Deinem Kopf gemacht hast ist, dass Du die enorme Entfernung, die weit schien, sehr nah zusammen gebracht hast. Jetzt ist sie für mich sehr klein und ich kann sagen, "Kanada-Mexiko ist nicht sehr weit. Deutschland nach Israel ist nicht sehr weit. Genaugenommen ist es direkt nebenan." Übersetzt auf die Ebene der stupiden amerikanischen Außenpolitik bedeutet dies, dass Grenzen zu verschärfen und Mauern zu bauen nichts bringt, denn was in Mexiko geschieht, passiert in Deinem eigenen Garten. Übersetzt für Deutschland heißt es, Palästina ist Dein Wohnzimmer und Israel Deine Küche. Nicht nur hast Du sehr große Lücken geschlossen sondern auch etwas Sinnvolles in Deinem Leben gemacht und Du weißt, Du warst nicht allein dabei.

    Wir arbeiteten zusammen als Team und es war schon genial, dass es so gut geklappt hat. Ein Duo-Kombi ist nicht leicht. Das kann es auch nicht sein, wenn man mit der gleichen Person 24/7 60 Tage lang ist, aber ich denke da haben wir es extrem gut gemacht und es half natürlich, dass wir uns gut verstehen und wussten Rücksicht auf einander zu nehmen. Auseinandersetzungen waren Rarität und die Team-Dynamik einfach locker. Es gab nicht mal wirkliche Diskussionen über die Aufteilung von Aufgaben sondern jeder wusste, was er zu tun hatte.

    Wenn ich mit Leuten rede, ist es schwierig direkt rauszukommen und auszurufen, "Jo, ich habe dies gemacht. Bin mit dem Rad von Kanada nach Mexiko!" Es ist nicht leicht zuzugeben. Ab und zu bekommt man ein "Was?" Blick und man weiß dann, dass das Konzept nicht wirklich begriffen wurde. Die Einzigen, die es vielleicht nachempfinden können sind die, die solche Touren durchgenommen haben und das "Tag-für-Tag" Erlebnis hatten. Denn das ist wirklich worum es geht. Manche sagen, "Das ist nicht das Leben!" und da muss ich sagen "au contraire", es ist das Leben, weil auf Touren die Regeln sehr primitiv sind: Überlebe und gehe vorwärts ... esse, schlafe, halte Dich sauber, hole Dir was zum Essen, hole Dir was zum Trinken, etc. Dies ist ein sehr einfaches Dogma, was die Alltagsstruktur unkompliziert hält. Du musst Dich nicht um die weit entfernte Zukunft sorgen, Dich um die Steuererklärung kümmern oder Angst haben ein Examen zu vermasseln. Du machst das, was Du liebst und obwohl es nicht immer Sonnenschein gibt, ist es belohnungswert gerade deswegen, weil es hart ist.

    Die Idee für das Projekt begann im Oktober und dauerte an bis Juli; Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli. Das sind neun Monate Vorbereitungen. Das ist wie eine Geburt! Neun Monate Planung für fünfzig Tage radeln: Viel Geld, aber noch wichtiger viel Zeit, Herz, Mühe und ab und zu Frustration, weil Du noch andere Sachen hast, die zusätzlich dazu getan werden müssen. Du musst Deine Mitfahrer motivieren und schauen ob sie ihren Anteil richtig machen; insgesamt viel Arbeit! Von Außen sieht es immer relativ einfach aus aber Innen sind es ganz andere Zahnkränze, welche die Maschine zum Rollen bringen. Am Anfang ist diese Idee: Von Kanada nach Mexiko mit dem Rad fahren. "Also, wie machen wir das?" Genau wie während der Tour, Du musst Stufe für Stufe gehen, kleine Kinderschritte machen und der, Rest nimmt seinen Lauf. Das Einzige ist, Du hast nicht einmal wirklich angefangen, also bildet sich eine Anspannung während der Vorbereitungsphase; neun Monate Tun ohne wirkliches Ergebnis zu sehen.

    Du bekommst von der einen Seite sehr viel Unterstützung und von der anderen so gut wie gar keine. Diejenigen, die es nicht begreifen werden, kein Finger krümmen, während die, die wissen, dass es ein riesiges Projekt ist, dass es nicht jeder tut und dass es ein Traum von Dir ist, stehen Dir bei. Ich bin sehr dankbar für die Personen, die geholfen haben, ohne dass sie gefragt wurden. Genauso wie die Leute auf der Tour, die Menschlichkeit zeigten, indem sie Beistand geleistet haben, ohne was dafür zurück zu erwarten. Das ist echte Schönheit. Deshalb wusste ich, als ich das Ziel antraf, dass nicht nur ich allein es geschafft habe. Es ist wahr, den physischen Teil machst Du selbst aber Du wärest nicht mal auf dem Bike drauf, ohne die Anstrengung, die vorher bei der Planung passierte. Neun Monate Vorbereitung für weniger als zwei Monate fahren; das ist viel!

    Aus dem Grund bin ich auch sehr erfreut, dass wir es fertig gebracht haben. Wenn wir aufgegeben hätten, wenn wir hätten aufhören müssen mitten auf der Strecke, wenn die Fahrräder kaputt gegangen wären, wenn jemand krank geworden wäre, verletzt, wenn das Geld uns ausgegangen wäre, wenn die Strecke falsch kalkuliert worden wäre und wir es zeitlich nicht hinbekommen hätten oder auch wenn unsere Rückfallpläne gescheitert wären, wäre es eine Katastrophe für mich gewesen. Es hätte bedeutet neun Monate Pre-Tour und insgesamt fast ein Jahr Zeit wären komplett für den Ar**h gewesen und für so etwas hätten wir vielleicht keine zweite Chance bekommen. Fazit, es ist ein großes Geschenk und eine Erleichterung das Ziel erreicht zu haben.

    Das ist sowieso das, was die Menschen interessiert, "Hast Du es durchgezogen oder hast Du ge-loost? Was hast Du überhaupt gemacht? Du bist fünfzig Tage lang Rad gefahren." Das ist das meiste, was gesehen wird und nicht wo wir genau fünfzig Tage lang waren oder wie es war. Sie sehen nicht was vorher gewesen ist, vor den fünfzig Tagen. Sie spüren nicht was nachher geschehen ist, nach den fünfzig Tagen. Ich hoffe, ich kann da einiges näher bringen.

    Ich will vor allem eine Message herausbringen, dass es immer Alternativen gibt von A nach B zu kommen und dass Du Dich im Leben manchmal für den längeren Weg entscheiden sollst. Heutzutage streben wir alle den kürzeren Pfad an. Vergiss die längeren schöneren Straßen. Wir nehmen alle den kürzeren billigeren Weg. Es spart Geld. Es ist leichter und Du bist schneller am Ziel. Dies ist fast zur Krankheit geworden und wir sind infiziert. Unsere Strecke drehte sich nicht darum, eine Abkürzung zu suchen. Wenn es so gewesen wäre, hätten wir uns für die geteerten Straßen der Highways und Byways entschieden. Wir hätten auch direkt alles herausschneiden können und uns einfach einen Flug nach Mexiko buchen können. Das hätte uns Zeit, Geld und viel Mühe gespart. Trotz des "allgemeinen" Wissensstandes unserer modernen Gesellschaft, ist der kürzere in den meisten Fällen nicht die bessere Wahl. Tolstoj hatt das auch erkannt und schrieb über die Neuentwicklung der Eisenbahn damals, dass sie sich zur Reise verhält, wie das Bordell zur Liebe. Du würdest viele schöne und lebenswichtige Momente verpassen, wenn Du Dich dafür entscheidest, den Weg des geringsten Widerstandes zu folgen. Ich sage es oft und hier sage ich es nochmals; nicht das Ende ist das Ziel sondern der Weg ist das Ziel!

    Zweitens kannst Du enorme Distanzen, große Ziele erreichen, wenn Du kleine Schritte machst. Anfangs scheint das Ende unerreichbar weit zu sein. Wir -heißt die Tourleute- sind teilweise daran gewöhnt. An unserem allerersten Tag -wir nennen es Tag eins aber sollten es Tag null benennen- in Banff dachten wir, "Wir werden durch die kompletten Vereinigten Staaten gehen, Teile von Kanada und Mexiko, durch die Rockies auf Schotter- und Steinpisten mit diesem ganzen Material ... Mann, wird das ein BROCKEN!" Genau dann und dort hatten wir keine Ahnung was uns erwarten wird. Auch wenn wir schon mal andere Touren gemacht haben, wissen wir nicht genau wie wir's fertig bringen sollen, aber wir wissen wir werden's Tag für Tag angehen. Das ist echtes Leben, Tag für Tag denken und je größer das Projekt desto kleiner die Schritte, vor allem die Anfangsschritte. Da ist nichts mit "ich kriege alles, hier, sofort, pauschal und basta".

    Die letzte Message, die ich ausstrahlen möchte, ist verbringe Deine Zeit, um unsere Welt näher und besser kennen zu lernen. Es ist wahr, sie ist klein aber vielfältig. Verschwende nicht komplett Deine Zeit damit, das zu tun was jeder andere tut in der Art und Weise, wie jeder andere es tut. Das ist die schnelle Variante. Individualismus hat keine Stelle in unserer Gesellschaft; nur als Scheinblid. Wir heben zwar Individualismus hoch, sind aber selbst keine Individualisten. Wir machen nicht unser Ding, sondern gehen einfach mit dem Vibe der anderen, machen das Ding anderer Leute. Jemand sagt uns etwas ist cool und auf einmal ist es "in" weltweit; jeder muss es haben, muss es machen, muss es tragen, muss es sehen, muss da sein. Du sollst das machen, was Du willst, auch und vor allem wenn es unterschiedlich ist. Das ist viel wertvoller und mehr lohnenswert. Du wirst etwas haben, erleben und genießen, was keiner um Dich kennt, bis sie es selbst austesten.

    Dieses Erlebnis ist auch eine Art Trennung von den heutigen Bequemlichkeiten, die wir als selbstverständlich hinnehmen. Teilweise sind die Einrichtungen sehr hilfsreich und es ist genial, dass es sie gibt. Es gibt dennoch Vieles, was einen herunterziehen und versklaven kann, weil es den Blick für wichtige Dinge im Leben ablenkt. Glaubst Du wirklich Du brauchst ein Handy? Glaubst Du wirklich Du brauchst ein Fernseher? Brauchst Du wirklich Strom? Glaubst Du auch, dass Du Dein Auto brauchst? Ich glaube die Hikers würden sogar dazu addieren: Glaubst Du wirklich Du brauchst Dein Fahrrad? Dich ab und zu daran zu erinnern und klar zu machen, was wirklich zählt, bringt Deine Füße wieder auf den Boden zurück. Es zu erleben, erdet Dich wieder. Aus diesem Grund campen wir wild. Es ist auch der Grund warum wir selbst kochen auf der Tour, schleppen unser Essen mit und versuchen so wenig wie möglich in Restaurants zu gehen. Das Essen schmeckt ganz anders, wenn man es hundert Kilometer über zwei Bergpässe mitgezogen hat.

    Jetzt, wo die Tour vorbei ist, fragen viele, "Was als Nächstes?". Ich habe noch keine Antwort geliefert, aber ich kann sagen es wird auf jeden Fall eine weitere Tour geben und es wird auf jeden Fall wieder anders sein, einfach weil das sein muss. Es gibt viele Ideen in meinem Kopf. Ich weiß genau ich muss nur eine herauspicken und loslegen. Es ist auch das, was ich machen werde, egal wer oder was im Wege steht. Ich weiß was für mich wichtig ist und habe meine eigene Definition von Wichtigkeit. Nächste Tour reite ich wieder. Ich verspreche mir selbst, dass das nächste Abenteuer meine Augen noch weiter öffnen wird, meinen Horizont noch weiter ausdehnen wird, meine physischen Grenzen testen wird und sehr unterschiedlich zu den anderen, die hinter mir sind, sein wird. Jede Tour ist es. Sicherlich, ich trenne mich ein bisschen von dem Gang der Dinge ab, aber es ist das, was ich gelernt habe zu wollen und zu brauchen. Gleichzeitig denke ich, es muss nicht applaudiert werden und es muss nicht verstanden werden. Es muss nur möglich sein.

    Ein großen Dank an alle, die uns auf unserem Blog verfolgt haben. Vielleicht gibt es Leute oder jemand, der verrückt genug ist so einen Abenteuer selbst zu versuchen, nachdem er hier angeregt wurde. Dafür wäre ich extrem glücklich und geehrt.

    Bis zur nächsten Tour. Peace n' bike on

- Jeremy



Florian's Rückblick:

    Von Kanada nach Mexiko, vor wenigen Jahren für mich undenkbar gewesen und nun ist es geschafft. Amerika für mich zuvor nur aus dem Fernseh und dem Internet bekannt wurde Wirklichkeit. Es war das erste mal für mich, dass ich den Kontinent betreten habe, mit dem Fahrrad versteht sich!

    Es war wahnsinn ich war so begeistert als wir in Kanada ankamen eine ganz andere Welt, die Stimmung, die Mentaltät. Für mich etwas total neues und zugleich sehr aufregendes. Man spürt sofort, dass das Land größer und alles viel verbreiteter ist. Das hängt wie ich finde auch mit der Mentalität zusammen welche, fast durchgehend sehr freundlich ist, hilfsbereit und herzlich.

    Die Natur muss man erlebt haben, sonst hat man etwas verpasst. Die klaren Wasserfälle, grünen Wälder und Seen sind eine echte Augenweide. Als wir in USA ankamen sind wir durch das Bärenland Montana gefahren. Man bekommt den Eindruck die Natur darf sich hier frei entfalten und ihr wird der nötige Raum dafür gelassen. Eine solche Artenvielfalt der Tiere mit Elchen, Bären, Stinktieren, Erdmännchen und vielen mehr ist nur durch eine geschützte Natur möglich.

    Mir haben besonders die Berge mit den Schneegipfeln gefallen und unten im Taal die Bergseen umgeben von den grünen Nadelwäldern. Als schönster Bundesstaaten haben mir jedoch Colorado und New Mexiko gefallen. Die schroffen sandfarbenen Berge wie aus der Marlboro Werbung haben mich sehr an den wilden Westen erinnert. Dazu kamen die Sandwege, die Hitze und die extreme Trockenheit welche uns den Touralltag mächtig schwer machte. Das einteilen von Wasser war für mich eine der schwersten Aufgaben des Alltags.

    Doch ich muss auch sagen, solch eine Reise sollte gut überlegt sein und gut geplant werden, nur so ist es möglich die gesteckten Ziele zu erreichen und den Gipfel zu erklimmen. Mit am wichtigsten ist neben der physischen und mentalen Form auch die Besetzung des Teams. Dabei kommt es wer hätte es anders gedacht auf die Teamfähigkeit an, welche sehr beansprucht wird. Die eigenen Bedürfnisse hinten anstellen und Dinge zu erledigen ohne das etwas gesagt wird macht ein Spitzenteam aus! Doch dies sind nur ein paar wenige Beispiele des gepflegten und erfolgreichen Zusammenlebens auf einer Tour.

    Als Fazit kann ich sagen wenn die ein oder anderen hier aufgezählten Dinge funktionieren, kann ich nur noch sagen worauf wartet ihr noch ab aufs Bike und ab geht's ...

- Florian

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